Wieso fahren viele Kinder gerne Karussell? Richtig: weil es lustig ist. Und was lustig ist, wollen viele Menschen auch in ihrem späten Leben nicht vermissen. Auch Tierschützer wollen das nicht und so freuen sie sich darüber, wenn sie sich - auch ohne Karussell - immer wieder lustig im Kreis drehen können.
Bleiben wir beim Karussell: Wenn ein Kind bei einer Fahrt heruntergefallen ist, weil es sich nicht festgehalten hat, was wird es beim nächsten Mal tun? Richtig: sich festhalten, denn es hat auch der Vergangenheit gelernt.
Leider scheint diese Lernfähigkeit bei einigen Menschen bei fortschreitendem Alter zu versiegen. Wenn sie nämlich eingesehen, daß Reformismus keinerlei wirkliche Erfolge erzielt hat, überdenken sie noch einmal ihre Strategie und dann ist ihre Lösung natürlich: Abolitionismus! Nein, Moment, ich meinte: noch mehr Reformismus! Wieso auch nicht? Viel hilft viel, das wissen wir schon lange. Wer oft genug vom Karussell gefallen ist, statt sich festzuhalten, lockert mit der Zeit die Erde und fällt irgendwann weicher. Und dann wird es höchste Zeit, das als "Erfolg" zu verkaufen.
Diese fundamentalen Erkenntnisse gehen auch bei Tierschützern nicht verloren.
Z.B. stellt Martin "Veganismus ist zu schwer" Balluch fest: "Allerdings hat das Pelzfarmverbot an sich keinen Rückgang im Pelzhandel bewirkt, es wurden eben Pelze aus dem Ausland nach Österreich eingeführt." Ist das ein Grund für ihn zu erkennen, daß nicht die Symptome der Tierausbeutung (ob "Pelz" hier oder da produziert wird) zu bekämpfen notwendig ist, sondern die Ursache, nämlich die wirtschaftliche Nachfrage aufgrund des Unveganismus der Menschen? Ach i wo. Man kann sich stattdessen auch ein wenig die "Welt-Abschaffung der Pelz-Produktion" zurechtbasteln, die seeehr wahrscheinlich ist, schließlich würde NIEMAND auf die Idee kommen, etwas weiterhin zu produzieren, das einen gesicherten Absatz garantiert.
Konkret äußerste sich auch letztens Helmut "Hühner- und Rindermord ist tierrechtskonform" Kaplan in Bezug auf Reformismus: "Wir dürfen hierbei niemals aus den Augen verlieren, daß mit der Realisierung dieser Reformen das EIGENTLICHE PROBLEM, das UNRECHT AN SICH noch nicht einmal berührt wird." Huch? Reformismus berührt das eigentliche Problem nicht? Das ist ja völlig neu. Aber ok, auch wenn etwas nicht das eigentliche Problem berührt und auch wenn es eine viel bessere, direkte und effektivere Strategie gibt (Abolitionismus und nichts sonst), heißt das noch lange nicht, daß man stattdessen diese wählen sollte, stimmt's? Genau: "Die angemessene Antwort auf die ungeheure Ausbeutung der Tiere heißt nicht Reform ODER Abschaffung, sondern Reform UND Abschaffung." UND? Was macht er eigentlich, wenn er eine Kerze anzünden will? Ein brennendes Streichholz dranhalten UND gleichzeitig einen Eimer Wasser drüberkippen? Aber naja, funktioniert sicher, man muß es wahrscheinlich nur oft genug probieren. Daß Reformismus ein System erhalten soll und damit jeder Abschaffung diametral entgegenwirkt, wie man in jedem Handlexikon nachlesen könnte, ist schließlich nebensächlich.
Auch aktuell ist das Karussellfahren noch nicht langweilig geworden. 2002 wurde in den Grundgesetz-Paragraphen 20a die Wortgruppe "und die Tiere" aufgenommen im Rahmen des Satzes: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung [...]." Zugegeben bedeutet das "Schützen" der Tiere auf der gleichen Stufe mit "natürlichen Lebensgrundlagen", daß Tiere nur als Ressource "geschützt" werden und Individualrechte uninteressant sind. Und folgerichtig stellt die Albert-Schweitzer-"Eiernudeln sind toll"-Stiftung fest: "Artikel 20a hat die Situation der Tiere in Deutschland bislang zwar noch nicht maßgeblich verbessert." Ach wirklich? Ein nichtssagender Gesetzeszusatz in einem speziesistischen Gesetz, das von Unveganern und Tierausbeutungsbefürwortern erlassen wurde, hat für die Tiere nichts verbessert? Was für eine Überraschung. Doch sei es drum, wenn wir etwas brauchen, dann noch einen nichtssagenden Gesetzeszusatz in einem speziesistischen Gesetz, das von Unveganern und Tierausbeutungsbefürwortern erlassen wurde, diesmal die Phrase "den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen" im EU-Reform-Vertrag, wo es jetzt heißt: "Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft[!], Fischerei[!] [...] tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung [...]." Wenn das "Wohlergehen" in der "Fischerei" gesichert werden soll, was faktisch diese abschaffen müßte, es aber sicher nicht tut, müßte man zur Erkenntnis kommen, daß "Wohlergeben" hier Tierschutz bedeutet, d.h. den "Schutz" der Tiere z.B. damit, vor dem Kehleaufschlitzen begast statt elektrogeschockt zu werden; daß es bedeutet, daß billigere und effizientere Methoden des Tiermords entwickelt werden, die ihn außerdem gesellschaftlich akzeptabler machen und die Tierausbeutungsindustrie stärken. Ein Grund, endlich Tierrechte und Veganismus zu fordern? Ach was frage ich: "Man darf aber trotzdem hoffen, dass der neue Reformvertrag die europäische Rechtsprechung zum Wohle der Tiere beeinflussen wird und nur einen von vielen noch zu folgenden Schritten darstellt." Oh ja, VIELE Schritte in die falsche Richtung. DAS wird die Tierrechte sicher voranbringen.
Dies sind nur drei Beispiele von Hunderten und so können wir uns auch in Zukunft auf weitere Runden "Reformismus funktioniert nicht, also brauchen wir noch mehr Reformismus" freuen.